Wenn ich eine Anfrage für eine Übersetzung aus dem Japanischen bekomme, sage ich dem potenziellen Kunden, dass die Übersetzung etwa doppelt so aufwendig ist wie eine Übersetzung aus dem Englischen oder Französischen und ich daher auch ziemlich genau das Doppelte dafür verlange. Aber was genau macht sie eigentlich so aufwendig? Mal sehen, ob ich das in 300 Wörtern erklären kann.
Wenn ich z. B. einen englischen Begriff nicht kenne, schlage ich ihn einfach unter seinem Anfangsbuchstaben im Wörterbuch nach. Bei einem japanischen Begriff dagegen muss ich erst mal wissen, wie er ausgesprochen wird, um ihn nachschlagen zu können. Die meisten Nomen bestehen aus 2 sinojapanischen Zeichen, den Kanji. (Das Japanische verwendet eine Mischung aus 3 Alphabeten, von denen 2 Silbenalphabete mit je 50 Zeichen sind. Das dritte besteht aus den aus China eingewanderten Kanji; es gibt 1945 „offizielle“ Kanji, die ausreichen, um behördliche Verlautbarungen u. Ä. zu lesen, für Bücher braucht man rund 3000.) Will ich nun ein Kanji im Kanji-Wörterbuch nachschlagen, muss ich es sezieren.
Beispiel: Das Wort 猫 (neko = Katze) besteht aus einem linken und einem rechten Teil (der rechte wiederum aus einem oberen und einem unteren, aber das hat hier keine Bedeutung). Der linke Teil ist das sogenannte Radikal, unter dem es im Wörterbuch aufgeführt ist. In diesem Fall ist das ironischerweise das Radikal犭mit der Bedeutung „Hund“. Jetzt zähle ich die Striche des Zeichens (hier: 11), schlage unter dem Radikal im Wörterbuch nach und finde das Zeichen je nach Wörterbuch unter 11 (Gesamtstrichzahl) oder 8 (Strichzahl ohne Radikal) Strichen. Nun kenne ich endlich die Lesung und kann es im Japanisch-Deutsch-Wörterbuch erneut nachschlagen.
Einfacher ist es natürlich, wenn der Text elektronisch vorliegt und ich die Zeichen per copy & paste suchen kann. Das ist aber immer noch eher die Ausnahme! Unerwähnt bleibt hier, dass es meist mehrere mögliche Lesungen gibt … Wird klar, was ich mit „doppeltem Aufwand“ meine?
(300 Wörter)