Die Japaner sind ja, man kann es aus der Distanz nicht anders sagen, ein komisches Völkchen. (Und ich bin sicher, sie sagen genau dasselbe über das eine oder andere europäische Volk – wie kann man nur verschimmelten Käse essen! –, und bestimmt ebenso zu Recht.) Als ich in Japan war, wurde mir mal gesagt, die Japaner hätten vor allem zwei Schwächen: alles, was kawaii (niedlich), und alles, was kawaisô (bedauernswert, arm dran) ist.
Bei „niedlich“ fallen einem natürlich zuerst die kulleräugigen Manga-Mädchen ein oder Hello Kitty. Nun sind aber die Japaner, wie eingangs schon bemerkt, ein komisches Völkchen und finden noch ganz andere Dinge niedlich. Zum Beispiel schiefe Zähne.
Weil vor allem Japanerinnen einen schmalen Oberkiefer haben, finden oft nicht alle Zähne nebeneinander Platz und wachsen dann an den falschen Stellen aus dem Kiefer. Besonders betroffen sind die Eckzähne, die dann zum Beispiel ein Stück weiter oben ansetzen oder sonstwie schief stehen.
In der westlichen Welt ein klarer Fall für den Kieferorthopäden, aber nicht in Japan. Im Gegenteil, wenn die Zähne allzu gerade stehen, lassen sich modebewusste junge Frauen sogar künstliche Eckzähne aufkleben, damit sie hervorstehen. Yaeba nennen sie solche Zähne, ganz wörtlich übersetzt „Achtfach-Zahn“, und sie finden das niedlich. Warum? Weil der Anblick an ein Kind im Zahnwechsel erinnert, wenn die Zähne noch zu groß für den Kiefer sind und kreuz und quer stehen. So ein yaeba verleihe den Frauen eine „koboldhafte Niedlichkeit“, sagt ein Zahnarzt in diesem Artikel. Es wird gerade als neuer Trend verkauft, aber schon als ich vor 20 Jahren in Japan war, fielen mir die vielen schiefen Gebisse gerade von jungen Frauen auf. Endlich weiß ich, was es damit auf sich hat.
Ich finde das eigentlich ganz sympathisch. Perfektion ist doch auch langweilig! Schließlich gibt es ja hierzulande ebenso Menschen, die Madonnas Zahnlücke sexy finden.
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