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Archiv der Kategorie: Umtüter

Outsourcing

Neulich bekam ich eine Werbemail von einer lettischen Übersetzungsagentur. (Andere Übersetzer und auch Agenturen bewerben sich oft bei mir, gern auch mit exotischen Sprachenkombinationen wie Arabisch-Englisch. Vielleicht sollte ich den Hinweis „Alle Sprachen, alle Fachgebiete“ mal von meiner Homepage nehmen.) Diese Mail war sogar angenehm professionell gehalten, man hatte mir außerdem eine Preisliste und ein Dokument mit drei Fallstudien über von dieser Agentur bearbeitete Projekte angehängt.

Bei den Preisen keine große Überraschung, mit 0,08 € (osteuropäische Sprachen) bis 0,12 € (skandinavische Sprachen) für lettische Verhältnisse wahrscheinlich sogar eher gut. Wirklich umgehauen hat mich bei allen drei vorgestellten Projekten jeweils der Kunde: 1. „mittelständischer Sprachdienstleister in Italien“, 2. „eine der größten Übersetzungsagenturen in Europa“, 3. „renommierte Übersetzungsagentur aus den Niederlanden“.

Bearbeitet wurden die Sprachkombinationen IT>CZ/PL, EN>EE und EN<>DE, nicht in einem Fall hatte also Lettisch etwas mit der Wahl dieses Dienstleisters zu tun. Vielleicht bin ich ja total naiv, aber ist es wirklich ganz normal, dass eine Übersetzungsagentur einen großen, vermutlich lukrativen Auftrag an Land zieht und statt sich selbst die Mühe zu machen, geeignete Übersetzer zu finden und einen entsprechenden Workflow zu entwickeln und umzusetzen (Datenaufbereitung, Terminologiemanagement, Proofreading, Formatierung), das komplette Projekt an eine weitere Übersetzungsagentur ausgliedert und die einfach die ganze Arbeit machen lässt? Wenn es da um Sprachen ginge, für die sie nur selbst keine Stammübersetzer haben – na gut, aber Englisch/Deutsch? Wenn das nicht Umtüten ist, dann weiß ich auch nicht.

Ein interessanter Einblick in den europäischen Übersetzungsmarkt. Wie viel für den Übersetzer übrigbleibt, wenn noch zwei Agenturen an dem Projekt verdienen möchten, kann man sich vorstellen. Interessieren würde mich auch, wo sie zu diesen Preisen die vielen (wegen enger Deadlines) hochqualifizierten (wegen der anspruchsvollen Terminologie) Übersetzer herbekommen. Ich kenne jedenfalls keine KollegInnen, die zu diesen Bedingungen z. B. medizinische Texte übersetzen würden.

(292 Wörter)

 

Sklaventreiber

Ich hatte ja vor einiger Zeit schon beschlossen, nicht mehr für die großen Umtüter zu arbeiten. Das war befreiend und fühlte sich gut an. Trotzdem erreichte mich vor etwa zwei Wochen die Rundmail eines solchen Ex-Kunden, in der die „Lieferanten“ über die Umstellung der Rechnungserfassung informiert wurden.

An sich nichts Spektakuläres. Ich habe schon von anderen Übersetzungsbüros Hinweise darauf bekommen, was auf die Rechnung gehört (einschließlich spezifischer Anforderungen wie Projektmanager oder Lieferantennummer, um die Bearbeitung zu beschleunigen) – die habe ich dankend zur Kenntnis genommen und bei der nächsten Rechnung geprüft, ob alle Angaben dabei waren.

In diesem Fall aber ging es nicht nur um Rechnungsdatum, Rechnungsnummer, Steuernummer und ähnlich allgemeine Dinge, sondern um ganz spezielle Wünsche Forderungen wie:

  • vor und hinter jeder Angabe muss ein Leerzeichen stehen
  • bei Sammelrechnungen muss die Auftragsnummer in einer Zeile mit den dazugehörigen Rechnungsbeträgen stehen
  • die verwendete Schriftart sollte Arial mit Schriftgröße 12 sein
  • die Rechnungsinformationen in schwarz drucken und farbige Hintergründe in den Textzeilen vermeiden

und dergleichen mehr. Und wehe, die Rechnung entspricht nicht diesen Vorgaben, dann käme es nämlich bei der Bearbeitung zu Verzögerungen des ohnehin schon sehr großzügigen Zahlungsziels von 60 Tagen netto.

Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe: Man setzt eine Software zum Einlesen der Rechnungen ein, um Mitarbeiter einzusparen und den eigenen Profit zu steigern, und verdonnert die „Lieferanten“ dazu, die Rechnungen ab sofort maschinenlesbar zu gestalten, sonst haben sie eben Pech und werden noch später bezahlt als ohnehin vorgesehen. Das verlangt man übrigens von denselben „Lieferanten“, denen man im Allgemeinen ungern mehr als 0,45 € pro Zeile bezahlt.

Also niedrigste Honorare plus totale Unterwerfung unter das Umtüter-System. Ich frage mich, ob die ihre „Lieferanten“ bald im Keller anketten.

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3 Kommentare

Verfasst von - 8. Dezember 2011 in Übersetzerinnenalltag, Umtüter

 

Warum ich nicht mehr für die Umtüter arbeite

Neulich bekam ich mal wieder eine Anfrage von einer großen, großen Übersetzungsagentur, die ebenso viele Buchstaben hat wie die Zeitung mit den großen, großen Buchstaben. Ich antwortete, dass ich mich entschlossen hätte, nicht mehr mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten, und bat darum, meine Daten aus der Datenbank zu löschen. Was für ein befriedigendes Gefühl. Tschüß, Umtüter!

Früher dachte ich ja, solange sie bereit sind, meine Preise zu zahlen, arbeite ich auch für solche Agenturen. Und das taten sie durchaus, wenn meine Spezialisierung gefragt war. Doch vor einiger Zeit meldete sich dann doch mein Gewissen. Ich weiß, dass besagtes Unternehmen seinen treuen, langjährigen Mitarbeitern nicht mehr zahlt als 50 Cent pro Zeile. Sie haben ein reguläres Zahlungsziel von 60 Tagen und zahlen „unter Vorbehalt“ mit der Option, Rückforderungen zu stellen, falls der Kunde irgendwann später mal reklamiert. Bei meinem letzten Auftrag (Japanisch-Deutsch) vergeudete ich hinterher wertvolle Arbeits- und Lebenszeit damit, einem des Japanischen unkundigen Korrektor zu erklären, warum meine Übersetzung sehr wohl richtig ist. Dem Kunden wird damit eine Qualitätssicherung verkauft, die keine ist, weil der Korrektor nur überprüfen kann, ob die Zahlen aus dem japanischen Text auch im deutschen gelandet sind.

Solche Geschäftspraktiken kann und will ich nicht länger unterstützen, das bin ich meiner Berufsehre schuldig. Außerdem ging mir endlich auf, dass ich mit meiner guten Arbeit, die sie unter ihrem Namen verkaufen, ihnen einen guten Ruf verschaffe, den sie eigentlich nicht verdient haben. Und schließlich will ich mehr sein als ein Datensatz. Ich will echte Kundenbeziehungen pflegen und kein austauschbares Rädchen im Getriebe sein. Deswegen arbeite ich nicht mehr für die Umtüter.

(Die Agentur mit den wenigen Buchstaben sei hier nur exemplarisch genannt, dasselbe gilt auch für alle anderen Platzhirsche.)

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5 Kommentare

Verfasst von - 26. Mai 2011 in Übersetzerinnenalltag, Umtüter

 

Nase voll.

Ich bekomme in letzter Zeit zunehmend Anfragen für Übersetzungen aus dem Japanischen ins Deutsche, vorzugsweise von Agenturen, mit denen ich noch nie etwas zu tun hatte. Problem 1: In 80 % der Fälle wird kein Auftrag daraus. Problem 2: Bei den angefragten Dokumenten handelt es sich fast immer um Bilddateien (PDF ohne markierbaren Text, JPG, TIFF … you name it), wenn es nicht ohnehin eine schief eingescannte Vorlage in grausiger Qualität ist (eingescanntes Fax ist mein Favorit!).

Ich habe dermaßen die Nase voll davon, dass man mir solche Dateien vor den Latz knallt mit der „Bitte um Festpreis und Bearbeitungszeit“, ich mich als brave Dienstleisterin natürlich hinsetze, mir den Text genau ansehe und den Aufwand abzuschätzen versuche – kostet mich meistens eine runde halbe Stunde und oft genug bekomme ich nicht mal eine Antwort.

Was mich daran besonders aufregt: Die Agenturen wissen weder, was das überhaupt für Dokumente sind, noch, wie man so was kalkuliert. Sie werben mit Übersetzungen aus dem Japanischen und lassen mich dann ihre Arbeit machen, schlagen auf mein Angebot einfach eine Marge drauf und leiten dann alles an ihren Kunden weiter. Sie können ihm weder erklären, warum es „so viel“ kostet, noch, warum es „so lange“ dauert, weil sie eben selbst keine Ahnung haben. Warum bieten sie diese Leistung dann an?!

Aber nun ist Schluss. Ich habe eine Liste mit Preisen für Standarddokumente (Familienregister, Führerschein etc.) und Zeichenpreisen für verschiedene Arten von Dokumenten erstellt und eine Standard-Antwortmail dazu entworfen, in der ich erkläre, wie man japanische Zeichen in einem Word-Dokument zählt. Für alle nicht auszählbaren Dateien berechne ich für den Kostenvoranschlag ab sofort einen Festpreis, der natürlich im Auftragsfall mit dem Auftragswert verrechnet wird.

Fast freue ich mich auf die unbedarfte Anfrage des nächsten Umtüters, dem ich meine Liste dann kalt lächelnd um die Ohren hauen kann.

(297 Wörter)