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Archiv der Kategorie: Übersetzerinnenalltag

Ein Hoch auf die lektorierende Zunft

Es wird ja oft beklagt, dass LiteraturübersetzerInnen zu sehr im Schatten stehen, obwohl sie doch nicht unwesentlich über Erfolg oder Misserfolg eines Buches mitentscheiden. Noch einen Schritt weiter im Dunkel steht aber noch jemand anders: die Lektorin. Findet man den Namen der Übersetzerin wenigstens noch klein im Impressum oder sogar unter dem Buchtitel auf der Titelseite, sucht man den Namen der Lektorin meist vergeblich.

Dabei ist eine gute Übersetzung immer Teamarbeit. Kein noch so berühmter Autor würde auf das Lektorat verzichten, weil er ganz genau weiß: Die lange Arbeit am selben Text macht irgendwann betriebsblind. Dann fehlt der nötige Abstand, um Plotlöcher  zu erkennen oder auch unglückliche Formulierungen, die einfach nicht besser werden wollen, obwohl man doch so lange daran gefeilt hat.

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Beim Übersetzen ist das eigentlich nicht viel anders. Natürlich liefere ich meine bestmögliche Übersetzung ab, natürlich gebe ich mir die größte Mühe, bis es für mich stimmt. Kein Text verlässt meinen Computer ohne einen kritischen Korrekturlauf, in dem ich gerade bei Buchübersetzungen noch mal einiges umwerfe, umstrukturiere, umformuliere, bis aus der Übersetzung ein deutscher Text geworden ist. Und doch kann ich drauf wetten: Das Lektorat findet die Stellen, die noch schöner sein könnten. Die ich beim dritten Drüberlesen einfach nicht mehr wahrnehme. Da ich fast nie Belletristik übersetze, sondern überwiegend Sachbücher, bekomme ich die lektorierte Fassung meistens gar nicht zu sehen. Wenn aber doch, oder wenn ich eine Fachübersetzung für einen Direktkunden von einer Kollegin prüfen lasse und die lektorierte Fassung öffne, bekomme ich manchmal einen Schreck. So viel Rot, Frau Lehrerin? Doch wenn ich mir die Korrekturen und Anmerkungen einer guten Lektorin ansehe, muss ich gestehen: So gefällt auch mir der Text besser. Er wurde nicht umgeschrieben, sondern optimiert. Herausgeputzt. Und dann bin ich sehr glücklich über diese schöne Übersetzung, die wir zusammen erschaffen haben.

(298 Wörter)

 
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Verfasst von - 1. April 2016 in Übersetzerinnenalltag

 

Such, such!

Was macht eigentlich eine gute Übersetzerin aus? Sprachgefühl, klar. Schreibtalent. Genauigkeit. Hartnäckigkeit braucht man auch und ein leichter Hang zum Perfektionismus ist oft ebenfalls nützlich. Vor allem aber muss eine gute Übersetzerin eins können: recherchieren.

Obwohl diese Kunst nicht direkt zum Ausbildungsgang gehört (zumindest nicht zu meiner Zeit), ist sie meiner Meinung nach von dermaßen entscheidender Bedeutung, dass man behaupten könnte,  hier trennt sich die Spreu vom Weizen, unterscheiden sich die Amateure von den Profis.

Stellen wir uns vor, in meinem Text taucht ein Wort auf, das ich nicht kenne. Passiert sehr viel häufiger, als gemeinhin angenommen wird, denn Übersetzer sind nun mal keine Wörterbücher. Aber das nur am Rande. Was mache ich also? Zuerst sehe ich natürlich in den einschlägigen Wörterbüchern nach. Finde ich dort eine deutsche Entsprechung, die in meinen Satz passt, prima! Das war einfach. Und wenn nicht? Dann versuche ich es je nach Fachgebiet noch in ein paar spezielleren Wörterbüchern, hole vielleicht sogar meine Papierdinosaurier aus dem Regal. Manchmal hilft das. Und wenn nicht? Dann schlägt die Stunde der Recherchekönigin. Paralleltexte suchen. Wenn ich überhaupt nicht mehr weiterkomme, frage ich Menschen. Erst KollegInnen, dann ExpertInnen.

Man beachte die Reihenfolge. Wenn ich überhaupt nicht mehr weiterkomme. Das kommt erst ganz zum Schluss, wenn ich mein Recherchepulver verschossen habe und feststecke. Leider sind da nicht alle KollegInnen so streng mit sich. Sobald der gesuchte Begriff weder auf Leo noch auf dict.cc zu finden ist, wird die Frage einfach outgesourct, ob nun auf KudoZ oder in anderen Übersetzerforen. Wie oft ich da schon der Versuchung widerstehen musste, einen entsprechenden Link zu „Let me google that for you“ zu setzen, kann ich gar nicht zählen.

Mich ärgert das wirklich. Recherchieren ist eine wesentliche Grundkompetenz für das Übersetzen und solche Abkürzungen sind meist nichts als Bequemlichkeit. Lernt es! Sucht selbst!

(299 Wörter)

 
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Verfasst von - 23. März 2016 in Übersetzerinnenalltag, Sprache, Trickkiste

 

Optimalst

Erst mal: Tut mir leid wegen der Überschrift. Ich weiß, das tut weh. Und nein, es geht diesmal gar nicht um Sprachsünden, sondern um einen zeitgeistigen Modetrend, dem ich immer wieder selbst anheimfalle: den Optimierungswahn.

Wann hat das eigentlich angefangen, dass wir in allen Bereichen stets nach Perfektion zu streben haben? Ich gebe zu, ich bin selbst eine Perfektionistin, wie viele meiner KollegInnen auch. In gewisser Hinsicht ist das beim Übersetzen auch nicht nur hilfreich, sondern sogar notwendig – beim Einhalten von Rechtschreib- und Grammatikregeln kann man nun mal nicht fünfe gerade sein lassen, das stimmt entweder oder es stimmt nicht. An anderen Stellen behindert zu viel Perfektionismus aber auch, hemmt die Kreativität, bremst aus (Stichwort Pareto-Prinzip). Wie lange habe ich für die Erkenntnis gebraucht, dass „gut genug“ manchmal (jedenfalls öfter, als ich denke) eben doch reicht!

Die übersetzende Zunft optimiert ausgesprochen gern. Arbeitsabläufe und Gedächtnisleistung mit CAT-Tools, die Produktivität mit Spracherkennungssoftware – höher, schneller, weiter ist die Devise. Nicht, dass ich das grundsätzlich schlecht fände. Wenn mir Tools die Arbeit erleichtern, dann bitte her damit! Mich beschleicht nur manchmal der Verdacht, dass wir uns damit nach und nach immer mehr vom Wesenskern des Übersetzens wegbewegen: der Kreativität. Der heilige Gral sind möglichst viele übersetzte Wörter pro Stunde – um mehr zu verdienen oder schneller dem Schreibtisch entfliehen zu können, je nach persönlicher Disposition.

Ich nehme mich da gar nicht aus. Aber tun wir uns damit wirklich einen Gefallen? Den Texten? Übersetzungen profitieren davon, wenn man ihnen Raum zum Atmen gibt, sich die Zeit nimmt, den texteigenen Rhythmus zu finden. Kreativität braucht Zeit, wie in diesem Video so wunderbar demonstriert wird:


Sicher, manche Texte flutschen nur so, das sind dann echte Glücksmomente. Glücklich macht aber auch eine richtig gelungene Übersetzung, und manchmal geht das eben nur mit bewusster Entschleunigung. Mit De-Optimierung.

(299 Wörter)

 

Method Translating

Der Begriff „Method Acting“ als Technik beim Schauspielern dürfte vielen geläufig sein. Der darstellende Mensch versetzt sich dabei in die Rolle, indem er sich auf besondere Weise hineinfühlt, bis er nicht mehr spielt, sondern ist. Beim Übersetzen ist das manchmal genauso.

Kein Wunder eigentlich, schließlich beschäftigt man sich dabei manchmal über Tage oder gar Wochen mit einem Thema, es füllt einem den ganzen Arbeitstag lang den Kopf, natürlich bleibt das nicht ohne Auswirkungen. Nach dem zweiten Buch über Aquarienfische schaffte ich mir ein Aquarium an. Nach dem Smoothie-Buch wurde endlich der Standmixer gekauft, mit dem ich schon lange geliebäugelt hatte. Als ich das Buch über Hühner übersetzte, sah der Liebste mich nachdenklich in den Garten starren und reagierte sofort mit einem: „Vergiss es!“

Es geht aber auch andersrum. Wenn ich mich für bestimmte Texte durch unterstützende Maßnahmen in Stimmung bringe, nenne ich das „Method Translating“. Manchmal mache ich das bewusst, manchmal ergibt es sich von außen, manchmal fällt es mir auch dabei erst auf. Beispiele gefällig? Bitte sehr, mein Twitter-Ich hat zum Glück ein Langzeitgedächtnis:

Allerdings hat die Methode auch Grenzen. Bei Medizintexten sollte man tunlichst einen gesunden geistigen Abstand einhalten und demnächst steht ein Buch über das Fortpflanzungsverhalten von Tieren an. Dazu fällt mir jetzt beim besten Willen auch nichts ein!

(212 Wörter)

 
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Verfasst von - 23. Februar 2016 in Übersetzerinnenalltag, Trickkiste

 

„Davon kann man doch sowieso nicht leben!“

Dass man vom Literaturübersetzen nicht leben kann, ist eine weit verbreitete vermeintliche Binsenwahrheit, die nicht zuletzt von den LiteraturübersetzerInnen selbst gern unermüdlich ins Feld geführt wird. Hartnäckig hält sich das Arme-Künstler-Klischee vom Übersetzer, der tagsüber einem unerfreulichen Brotjob nachgehen muss, um sich nach Dienstschluss endlich seiner wahren Leidenschaft hingeben zu können: den Büchern. Wie tragisch-romantisch!

Moment.

Ich übersetze jetzt seit 16 Jahren Bücher und lebe eigentlich ganz gut davon. Mehr noch, ich ernähre seit vielen Jahren eine ganze Familie mit dem Übersetzen. Mache ich was falsch?

Gut, ich bin nicht die klassische Literaturübersetzerin. Ich übersetze vor allem Sachbücher, nur sehr gelegentlich bisher etwas Kinderliteratur. Und stimmt, ich übersetze natürlich auch noch Fachtexte, die ganz anders bezahlt werden. Es steht auch außer Frage, dass Literaturübersetzungen immer noch nicht annähernd angemessen bezahlt werden für die Arbeit, das Wissen, das Können, das wir hineinstecken müssen.

Trotzdem. Kurz nachgerechnet: Ich habe 2015 gut 61 % meines Umsatzes mit Buchübersetzungen gemacht. Zugegeben, mein Stundenlohn lag bei den Fachübersetzungen recht deutlich höher, um fast ein Drittel. Dennoch komme ich auch mit den Buchübersetzungen auf einen durchaus respektablen Stundenlohn von fast 65 Euro. Das ist zwar nicht ausgesprochen fürstlich, aber doch deutlich mehr, als viele Agenturen einer Übersetzerin als Stundensatz zu zahlen bereit wären.

Ich gebe zu, dieser Beitrag ist ein bisschen polemisch. Natürlich kommt es auch darauf an, ob man Hochliteratur übersetzt oder Groschenhefte, Kochbücher oder philosophische Werke. Nach meiner Einschätzung gibt es aber weite Bereiche in der Literatur, in denen sich die übersetzende Zunft durchaus existenzsichernd tummeln kann.

Ich mache mir ein wenig Sorgen, dass die Pauschalaussage in der Überschrift mehr und mehr zur selbsterfüllenen Prophezeiung wird, je öfter wir sie wiederholen. Dass sie uns den Mut nimmt, für die angemessen Bezahlung einzutreten, die uns zusteht. Man kann vom Literaturübersetzen durchaus leben, aber es könnte und müsste noch besser sein!

(300 Wörter)

 
 

Mein 2015

Bevor es hier so richtig wieder in die Vollen geht: Vielleicht hat sich der eine oder die andere ja gefragt, was ich wohl das letzte Jahr über so getrieben habe, dass ich gar keine Zeit (oder sagen wir mal Muße) zum Bloggen hatte. Bitte sehr, das war mein 2015:

  • Ich war auf Konferenzen in Warschau (TLC), Freiburg (TriKonf) und Miami (ATA 56). Jawohl, Miami. Es war so großartig, dass ich das Programm dieses Jahr quasi wiederhole, minus Freiburg (weil die TriKonf nicht jedes Jahr stattfindet) und mit San Francisco statt Miami. An dieses Jetset-Leben könnte ich mich wirklich gewöhnen! Wer den lieben langen Tag allein am Schreibtisch sitzt, muss einfach ab und zu mal unter Leute, um nicht vollends wunderlich zu werden.
  • Wenn ich mich nicht gerade auf Übersetzer-Konferenzen herumtrieb, war ich auf diversen Fachmessen oder Kongressen: auf der IDS in Köln, auf der Buchmesse in Leipzig und in Frankfurt, auf der re:publica (praktischerweise vor der Haustür), auf dem Workshop-Wochenende des wunderbaren Texttreffs, auf einem BDÜ-Seminar zum Thema Kardiologie und bei einem Übersetzer-Workshop der German Society des Chartered Institute of Linguists.
  • Ich habe 14 Bücher übersetzt. Vierzehn! Na gut, einige hatten nicht viel Text. Andere dagegen schon, ein oder zwei hielten mich gar über Monate in Atem.

Noch Fragen? Faul war ich jedenfalls nicht. 2016 lässt sich übrigens auch nicht viel ruhiger an – geplant sind bisher nicht weniger als 4 Konferenzen, ein Messebesuch, ein BDÜ-Seminar und natürlich das Texttreff-Wochenende. Eine Weiterbildung zum Medical Writer steht ebenfalls auf der Liste. Ganz zu schweigen von diversen MOOCs und anderen Weiterbildungsaktivitäten.

Ob ich mir einen Sponsor suchen sollte, damit ich in Vollzeit Konferenzen besuchen und meinen Horizont erweitern kann?

(271 Wörter)

 
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Verfasst von - 22. Januar 2016 in Übersetzerinnenalltag, Weiterbildung

 

„Du warst auf dem FIT-Kongress? Wie war’s denn?“

Vorbemerkung: Mit diesem Beitrag erwecke ich nicht nur mein eingestaubtes Blog endlich wieder aus seinem Dornröschenschlaf, sondern breche ausnahmsweise auch mit meiner 300-Wörter-Regel. In diesem Fall war es mir wichtig, nicht nur Schlaglichter zu setzen oder einzelne Aspekte kurz aufzugreifen, sondern meinen Gedanken in aller gebotener Ausführlichkeit Raum zu geben. Wer die Regeln macht, der darf sie nämlich auch brechen! Ha! 

Nun ist der FIT-Weltkongress schon ein paar Tage vorbei, das Schlafdefizit ist aufgeholt, die Stimme wieder einsatzfähig, das leergeredete Wortkontingent halbwegs wieder aufgefüllt – so viel wie in diesen 3 Tagen spricht die gemeine Übersetzerin schließlich sonst in einem ganzen Monat nicht! Und immer wieder höre ich die berechtigte Frage: „Wie war’s denn?“

Tja, wie war’s denn? Insgesamt war’s schön, wie nach den Erfahrungen mit den beiden BDÜ-Kongressen auch zu erwarten gewesen war. Die Organisation war einwandfrei, die „helfenden Hände“ hinter den Kulissen, wie sie so passend betitelt wurden, leisteten fantastische Arbeit, gerade auch die freundlichen jungen Damen, die z. B. für die Saaltechnik zuständig waren – alles klappte ganz wunderbar und falls es Problemchen gab, wurden sie schnell und kompetent gelöst.

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© Anja Weiligmann

Das Catering – nun ja. Nein, dazu kann ich leider keine Lobeshymnen anstimmen, das war schlicht gesagt ziemlich peinlich. Zu wenig, zu simpel (das gastronomische Niveau erinnerte doch eher an Straßenfest als an Fachkongress) und Servicekräfte, die hilflos mit den Schultern zuckten, wenn sie auf Englisch angesprochen wurden. Beim Sommerfest war vor dem offiziellen Ende das Bier alle. Das darf einfach nicht passieren, das geht mit Sicherheit besser. Mir war es jedenfalls unangenehm, mit welchen Eindrücken von der deutschen Gastronomie die Gäste aus aller Welt wieder nach Hause gefahren sein mussten.

Und der Kongress selbst? Auch da bleiben mir durchaus gemischte Eindrücke. Vielleicht liegt es daran, dass ich inzwischen auf einigen Übersetzerkongressen war, vielleicht auch an meiner eigenen Programmauswahl, aber so richtig viel Neues konnte ich irgendwie nicht mitnehmen. Na klar, Chris Durbans Beiträge (und das waren so einige) waren wie immer sehens- und hörenswert und ihre Botschaft („Down with the poverty cult“ – „Einigkeit macht stark“ – „Tretet selbstbewusst und professionell auf, ihr habt allen Grund dazu“) kann man auch wirklich nicht oft genug hören. Das ist mir persönlich immer wieder ein Fest und eine wirkliche Motivation. Natürlich habe ich auch aus anderen Vorträgen mindestens ein oder zwei neue Aspekte mitnehmen können, beispielsweise fand ich Iva Mäders Vortrag zum Thema „Erfolgreich sein mit kleinen Sprachen“ wirklich sehr interessant und stieß dort auch auf Ideen, die mir selbst schon mal gekommen waren (was immer nett für das eigene Ego ist – nach dem Motto „Ganz falsch kann ich also nicht liegen!“).

Aber. Ich muss gestehen, schon als ich das Motto der Konferenz las, verdrehte ich seufzend die Augen. Schon wieder Maschinenübersetzung. Das Thema beschäftigt die Branche ja nun schon seit dem Aufkommen von Google Translator wieder verstärkt und wird in Blogartikeln, Forenbeiträgen und nicht zuletzt auf Kongressen mit mehr oder minder (meistens eher minder aus Sicht der erfahreneren Kolleginnen und Kollegen) hysterischem Unterton wieder und wieder abgehandelt. Auch auf der TriKonf im letzten Herbst war das Thema schon Schwerpunkt. Mit meinem Arbeitsalltag hat das Thema Maschinenübersetzung nicht viel zu tun und deshalb konnten sämtliche Vorträge und Diskussionsrunden dazu mich auch nicht wirklich locken. Andererseits habe ich gehört, dass gerade ein Präsentationsblock zur Maschinenübersetzung rundum überraschend spannend und interessant war, vielleicht hätte ich also meinen inneren Widerstand überwinden und mir wenigstens ein Segment dazu doch ansehen sollen.

Auch mein Gesamteindruck, dass ich leider nicht viel Neues zu hören bekam, lässt sich, wie schon gesagt, möglicherweise zum Teil auf meine persönliche Programmauswahl zurückführen. Ich hatte überwiegend Themen gewählt, die mich ohnehin interessieren, wie Marketing, Medizin und Social Media, teilweise hatte ich auch die Vortragenden schon mal gehört – vermutlich kann man da einfach keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse erwarten. Bei der nächsten Konferenz werde ich sicherlich mutiger sein und die gewohnten Pfade auch mal verlassen.

Was mich aber wirklich gestört hat, war die insgesamt doch sehr eurozentristische Ausrichtung des ganzen Programms. Auf einem dediziert internationalen Kongress hätte ich es erwartet und interessant gefunden, mehr von der Situation der Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern zu hören. Sicher, vereinzelt gab es solche Vorträge, aber insgesamt war es viel zu wenig. Das hatte übrigens nur bedingt mit der Programmauswahl durch die Teilnehmenden zu tun, schon bei den Einreichungen fehlte mir dieses Themenfeld. Die Resolution zur Situation der Kolleginnen und Kollegen in Krisengebieten, die in der Abschlussveranstaltung mit minutenlangem Applaus einstimmig vom Kongress angenommen wurde, war gut und richtig, aber reicht meiner Meinung nach einfach nicht aus. Vorträge zu diesem Thema, Erfahrungsberichte? Fehlanzeige. (Bis auf einen, wenn ich mich recht erinnere.) Dabei ist das Thema doch so brandaktuell und auch so wichtig, dass man das ebenso gut zum Leitthema der Konferenz hätte machen können!

Schade auch, dass überhaupt so wenige Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel aus Afrika anwesend waren – ein gewaltiger Kontinent mit knapp 2.000 Sprachen, da wird doch wohl jemand was zum Thema Übersetzen und Dolmetschen zu sagen haben?! Natürlich ist es für viele Mitglieder der vier afrikanischen FIT-Verbände sicher schwierig, die Kongressgebühr und die Reisekosten aufzubringen, aber da hätte man sich doch im Sinne der Kollegialität ein Umlagemodell ausdenken können, um wenigstens einige Vertreter einzuladen.

Was das Ganze aber dann doch trotz der persönlich wahrgenommenen Programmschwächen zu einem vollen Erfolg machte, waren die vielen Kolleginnen und Kollegen von überallher, die ich wiedertraf, kennenlernte oder nach langer virtueller Bekanntschaft erstmals in Fleisch und Blut traf. Auch hier war den Organisatoren etwas Pfiffiges eingefallen: Überall standen gut sichtbare Werbesegel (auf Neudeutsch „Beachflags“, wie ich lernte), die als Treffpunkte für verschiedene treffwillige Grüppchen wie Twitterer, Medizin-Übersetzer etc. dienten. Netzwerken leicht gemacht! Aus diesen Gesprächen habe ich den meisten Nutzen gezogen, mal abgesehen davon, dass es einfach riesigen Spaß machte.

Meinen idiomatischen Hut* ziehe ich zum Schluss vor den Kolleginnen und Kollegen, die unentgeltlich unzählige Veranstaltungen zwischen den drei Kongresssprachen Englisch, Französisch und Deutsch verdolmetschten. Dass Dolmetschen eine höchst anspruchsvolle Tätigkeit ist, wissen wir alle, aber dann auch noch für das kritischste Fachpublikum, das man sich überhaupt vorstellen kann, nämlich für die eigene Zunft – das kann mit Sicherheit nicht jeder. Vielen Dank dafür!

FotoHat es sich für mich also gelohnt, zum FIT-Kongress zu gehen? Ja, hat es. Nicht zuletzt übrigens deswegen, weil ich dort selbst einen kleinen Workshop (eher einen kurzen Vortrag mit längerer Fragerunde) zum Thema „Marketing für Literaturübersetzer“ gehalten habe, auf den ich noch am nächsten Tag von wildfremden Menschen freundlich bis rundheraus begeistert angesprochen wurde. Unbezahlbar! Und beim nächsten Kongress (der mit Sicherheit nicht lange auf sich warten lässt, denn Kongressbesuche machen süchtig) werde ich darauf achten, nicht nur bei meinen Kernthemen zu bleiben, sondern aktiv auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Ich freue mich jetzt schon drauf!

*Diese Wendung habe ich bei Kerstin Funke abgekupfert, die sich nach der FIT-Geburtstagsparty am Dienstagabend „auf die idiomatischen Socken“ machte und der ich an dieser Stelle ganz herzlich für diese grandiose Erweiterung meines aktiven Wortschatzes danken möchte. ❤

 
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Verfasst von - 10. August 2014 in Übersetzerinnenalltag, Weiterbildung

 

Mein neues Hobby

Ich habe ein neues, subversives Hobby. Und das kam so:

Neulich klickte ich in einem Blog auf einen verlinkten Buchtitel, ein populärwissenschaftliches Fachbuch. Ich landete natürlich auf Amazon und suchte nach weiteren Informationen über das Buch. Inhaltsangabe, Rezensionen, Originaltitel … alles da. Nur die beiden Übersetzer waren nicht aufgeführt. Das ärgerte mich, weil ich immer neugierig bin, wer beispielsweise ähnliche Bücher wie ich übersetzt, und ob ich sie oder ihn vielleicht kenne.

Da bei diesem Titel ein „Blick ins Buch“ möglich war, sah ich im Impressum nach. Und dann beschloss ich, den Missstand zu beheben, und klickte unter den Buchdaten auf „Produktinformationen aktualisieren“. Da kann man nämlich u. a. den Namen eines weiteren Autors oder eben auch der Übersetzerin eingeben, sofern man ein Konto bei Amazon hat. Bisher habe ich das immer nur bei meinen eigenen Büchern gemacht, aber warum eigentlich nicht auch anderen KollegInnen was Gutes tun?

Jetzt halte ich immer die Augen offen, wenn ich auf Amazon herumstöbere (kaufen mag ich da ja schon länger nicht mehr, aber zum Stöbern ist es doch sehr praktisch). Kommt mir ein Buch unter, das eindeutig übersetzt ist, den Übersetzer/die Übersetzerin aber nicht aufführt, korrigiere ich das. Ich bin nämlich genau wie Isabel Bogdan und zahllose andere KollegInnen der Meinung, dass Übersetzer endlich sichtbarer werden müssen.

Na, wer macht mit?

(218 Wörter)

 
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Verfasst von - 13. November 2012 in Alltag, Übersetzerinnenalltag, Sprache

 

Mengenrabatt? Ich weiß was Besseres.

Im diesjährigen Sommerurlaub plauderte ich mit dem Onkel des Liebsten über „‘s G‘schäft“. Er hat beruflich und privat viel mit Autos zu tun, kommt also aus einer ganz anderen Ecke als ich, ist aber immer sehr interessiert daran, wie ich das alles so mache als Ganz-allein-Unternehmerin. Irgendwann im Laufe des Gesprächs fragte er: „Sag mal, nimmst du eigentlich einen Kleinmengenzuschlag für so ganz kleine Aufträge?“

Hm, vielleicht könnte man meine Mindestpauschale als eine Art Kleinmengenzuschlag interpretieren, sagte ich. Allerdings deckt der nicht viel mehr ab als 200 Wörter. Alles zwischen 200 und so etwa 3.000 Wörtern fällt unterschiedslos in die Kategorie „Kleinvieh“, von dem immer mal wieder was reinkommt, das sich aber wegen des unproportional großen Verwaltungsaufwands nicht wirklich rechnet. Als ich ihm sagte, dass stattdessen viele Agenturen bei großen Aufträgen einen Mengenrabatt fordern, musste er lachen. Er verstand sofort, dass Übersetzer eben keine Maschinen sind, die bei höherer Stückzahl billiger produzieren (und da frage ich mich doch, warum das für einen Branchenfremden vollkommen logisch ist, während man diesen Umstand gewissen Agenturen einfach nicht begreiflich machen kann).

Einige KollegInnen sind trotzdem bereit, größere Arbeitsvolumina für einen geringeren Wort- oder Zeilenpreis anzunehmen. Ich bin dafür, den Trend umzukehren: Verlangen wir doch für jeden Auftrag, der uns weniger als einen Arbeitstag lang beschäftigt, einen Kleinmengenzuschlag! In anderen Branchen ist das schließlich auch gang und gäbe. Ach, Wörter sind aber was ganz anderes als Schrauben, meinen Sie, lieber Kunde? Richtig, darum gibt es sie ja auch nicht im Dutzend billiger. Beweisführung abgeschlossen.

(246 Wörter)

 

Sommer im Büro

Im letzten Posting hatte ich ja das Hohelied des Sommerbüros angestimmt – wunderbar für alle, die in Arbeit ertrinken, aber trotzdem nicht auf ihre wohlverdiente Pause verzichten möchten. Aber was macht man im umgekehrten Fall? Wenn das erste Halbjahr so mau lief, dass man sich keinen Urlaub leisten kann? Wenn man kein größeres Projekt am Wickel hat, mit dem man in Arbeitsklausur gehen kann?

Wie schon gesagt, es ist keine gute Idee, das Tagesgeschäft einfach woanders weiterzuführen. Die fehlende gewohnte Infrastruktur mit schneller Internetverbindung, Telefon ohne Roaminggebühren und ergonomischem Arbeitsplatz sorgen schnell für noch mehr Stress, und das ist ja nicht der Sinn der Sache. Trotzdem gibt es Alternativen zu der tristen Aussicht, den Sommer einfach durchzuarbeiten, während die Kolleginnen sich am Strand aalen, denn eine Pause braucht jeder, um mal den Kopf freizubekommen. Hier ein paar Vorschläge:

  • Kurzreisen: Ein verlängertes Wochenende am Meer oder in den Bergen kann einen richtigen Urlaub zwar nicht ersetzen, lädt aber die Batterien wieder auf. Jeder Tapetenwechsel macht den Kopf frei!
  • Kundenbesuch: Vielleicht gibt es ja eine Stadt oder Region, in der mehrere Kunden ansässig sind? Eine ruhige Sommerwoche lässt sich hervorragend nutzen, um mal persönlich vorbeizuschauen. Der Nasenfaktor ist nicht zu unterschätzen – man tut also etwas für die Kundenbindung und verbindet das Nützliche noch mit einer schönen Städtereise. Bonus: Die Reisekosten lassen sich als Geschäftsausgaben verbuchen, und vielleicht wohnen ja sogar Verwandte oder Freunde in der Nähe?
  • Fortbildung: Nicht nur Kundenbesuche, sondern auch Messen, Symposien und andere Branchenveranstaltungen lassen sich gut mit einer Kurzreise verbinden. Auch hier der Vorteil: als Geschäftskosten absetzbar.
  • Stammtische: In vielen Städten gibt es regelmäßige Übersetzerstammtische. Endlich genug Zeit, sich da mal blicken zu lassen und zu netzwerken, was das Zeug hält!

Kein Grund also, den Kopf hängen zu lassen, wenn es mal nichts wird mit dem Urlaub!

(300 Wörter)